"Luther und das Wort"

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Schneider: Luther und der freie Wille

Was haben Pussy Riot, Raif Badawi und Dawn Cavanagh mit Martin Luther gemeinsam? Mit dieser Frage leitete der Kirchenhistoriker und evangelische Theologe Prof. Dr. Thomas Martin Schneider seinen Vortrag ein, als er im Rahmen des kulturwissenschaftlichen Kolloquiums am 19. Juli 2017 zum Thema „Luther und der freie Wille“ referierte. Als Experte kirchengeschichtlicher Differenzen, richtete er seine Kritik auf den utilitaristischen und ideologischen Gebrauch (oder Missbrauch) von Luthers Gedankengut anlässlich des diesjährigen 500. Reformationsjubiläums.

So hatte etwa die evangelische Zeitschrift chrismon eine Fotostrecke unter dem Motto „Vorbilder für alle: Moderne Luther“ publiziert, in der Pussy Riot, Raif Badawi und Dawn Cavanagh vorgestellt wurden. „Martin Luther wäre stolz auf sie“, so chrismon (9/2015).

Doch was ist dran an solchen populären Vergleichen, fragte Schneider? Sind sie nicht im eigentlichen Wortsinn anachronistisch? Wäre Luther etwa stolz auf die russische Frauenband „Pussy Riot“, die aufgrund ihres „Punk-Gebets“ auf dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kirche wegen Verunglimpfung religiöser Gefühle angeklagt und inhaftiert wurde? Oder würde Luther die südafrikanische Frauenrechtskämpferin Dawn Cavanagh in ihrem Engagement für lesbische und bisexuelle Frauen unterstützen? Wie sieht es mit der Forderung nach Säkularismus als Lösung (für religiöse Intoleranz) aus, die der saudi-arabische Internetblogger Raif Badawi, als er wegen einer religionskritischen Diskussion über die strikte Auslegung der Scharia zu 10 Jahren Haft, umgerechnet 194000€ und 1000 Peitschenhieben verurteilt worden war, an die Toilettenwand im Gefängnis von Dschidda gekritzelt vorfand und darin eine Unterstützung seiner aufklärerischen Intentionen wähnte? Würde Luther dieser Lösung zustimmen?

Wie Schneider zu bedenken gab, hätte sich Luther vermutlich wohl alles andere als begeistert gezeigt: Als Kind seiner Zeit hätte er der Emanzipation sein traditionelles Verständnis von Familie und Ehe entgegengehalten, der Ausdruck Säkularismus wäre ihm schlichtweg nicht bekannt gewesen und darüber hinaus scheint es fraglich, ob er diesen als Lösung betrachtet hätte. Sonst hätte er vermutlich nicht eine Erneuerung des Glaubens angestrebt.

Solche ahistorischen Transferleistungen und zeitgeistgeprägten Interpretationen zeigen, wie auch im diesjährigen Reformationsjahr der Hype um Martin Luther zu leichtfertigen Analogieschlüssen zwischen zeitgenössischen Formen des Widerstands gegen totalitäre und verkrustete Herrschaftsstrukturen einerseits und Luthers Aufstand des Gewissens andererseits verleiten. Solche anachronistischen Vereinnahmungen gehen dabei mit einer interessendienlichen selektiven Wahrnehmung und populären Luther-Rezeption einher: Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Fortschrittlichkeitsideologien wird Luther dann plötzlich zur Hebamme progressiver Emanzipationsbewegungen, zum Förderer der Inklusionspädagogik und Anhänger des Ökumenegeistes.

Bestes Beispiel dafür bietet Margot Käßmanns Ineinssetzung des modernen politischen Freiheitsverständnisses mit dem theologischen Luthers. Die Botschafterin der EKD für das diesjährige Reformationsjubiläum hatte in der Zeitschrift Politik & Kultur (05/2012) zwar selbst auf den je historischen Kontext aufmerksam gemacht, vor dem die jeweiligen Jubiläen zu betrachten seien, diese Reflexion jedoch nicht auf ihre eigene Luther-Interpretation bezogen. Stattdessen reklamierte sie das moderne aufklärerische Freiheitsverständnis ohne historische Reflexion auf Luthers Freiheitsbegriff als reformatorisches Erbe.

Sie dividiert ihren zeitgenössischen Kontext also nicht kritisch mit Luthers Interessen und Intentionen auseinander, sondern inkludiert Luther affirmativ. Denn heute kann man zurecht die Frage stellen, ob und inwiefern Luther die moderne Ökumene-Bewegung, den Dialog der Religionen oder die Gleichstellung von Frauen für das Priesteramt unterstützt hätte – trotz seines Respekts vor Käthe.

Insofern stellt sich auch das diesjährige Jubiläum in eine Tradition, aber weniger in die Luthers, als in die vorangegangener Jubiläen, die Luther und die Reformation für jeweils zeitgeistadäquate Ziele zu vereinnahmen suchten: Im 19. Jahrhundert wurde er zum geistigen Gründer des deutschen Nationalstaats erklärt, während er in der DDR so lange als bauernmörderischer Reaktionär galt, bis ihn dann schließlich die Feier seines 500. Geburtstages 1983 zum Vorläufer der Emanzipation des Volkes und der sozialistischen Revolutionen machte. Insofern, so kann man resümieren, scheint es die Funktion von Jubiläen, die Gegenwart zu feiern, indem man die Vergangenheit anachronistisch reinterpretiert.

Führt man die Logik der vergangenen und gegenwärtigen Luther-Interpretation in der Zeitdimension fort, ließe sich durch einen Blick auf eine bewusst überzogen imaginierte Zukunft, die Gegenwart in einem klareren, kritischen Licht zeigen.

Wagen wir also an dieser Stelle ein kleines Gedankenexperiment und versuchen uns an einer Prognose derjenigen Konstellationen, die die Feier zum 600. Geburtstag Martin Luthers im Jahr 2083 umrahmen. Sie lassen dann vielleicht den chrismon-Artikel und Margot Käßmann genauso antiquiert und moralisch-politisch verfehlt, aber glücklicherweise überwunden erscheinen, wie ihren Anhängern heute der wilhelminische Nationalprotestantismus oder die Honegger-DDR. Weil die Zukunft problematischerweise offen ist, gehen wir von drei unterschiedlichen Szenarien aus:

  1. Die vollendet inkludierte Weltgesellschaft hat zur Ächtung aller Religionen geführt, die Differenz-Codes wie gläubig/ungläubig, getauft/ungetauft, Mitglied/Nicht-Mitglied etc. benötigen. Auf der Grundlage umfangreicher, von der UNESCO über Jahrzehnte mit gewaltigen Mitteln geförderter religionswissenschaftlicher Forschungsprojekte ist es gelungen, aus allen Religionen der Welt die neue Essenz-Religion zu destillieren, den universalen Urglauben der Menschheit. Das 10. Parlament der Weltreligionen hat in seiner bahnbrechenden Konferenz von Shanghai diesen Glauben in 12 Artikeln zusammengefasst, die umfassend und für alle Weltbürger bindend die Pflichten des Menschen gegenüber allem Lebenden und dem Kosmos definieren. Kritische Religionswissenschaftler merken zwar an, dass die neue Menschheitsreligion große Affinitäten zu bestimmten Varianten des Buddhismus im 20. Jahrhundert aufweise, aber fortschrittliche Kunsthistoriker kontern, dass die große Statue von Shanghai, vor der einmal im Jahr der Menschheitskult zelebriert wird, keine Ähnlichkeit mit historischen Buddha-Statuen aufweise, sondern eher Züge eines Tübinger Professors aus dem letzten Jahrhundert trage. Das Luther-Jubiläums-Komitee des ständigen Parlaments der Religion (wie es seit Shanghai heißt: der Plural wurde ja überwunden) hebt nun hervor, dass Luther mit der Entdeckung des Gnaden-Prinzips eine Grundlage für das universelle Liebes-Gebot in Art. 1 geliefert habe und richtet eine würdige Feier aus.
  2. Donald Trump ist es in seiner zweiten Amtszeit gelungen, den europäischen Antiamerikanismus zu überwinden. Nachdem durch den Jinping-Putin-Pakt die Herrschaftsgebiete östlich der Oder-Neiße neu aufgeteilt worden waren, gelang es ihm als neuem Führer der freien Welt auch die Herzen der deutschen Protestanten zu erobern. Beim Luther-Jubiläum greift der Militärgeistliche in seinem Gottesdienst vor der 3. Westeuropäischen Cyberarmee auf die Thesen eines Koblenzer Medienwissenschaftlers zurück, der nachweisen konnte, welche zentrale Rolle Luthers Kraftsprache als Vorläufer der neuen politischen Kommunikationskultur hatte, die sich mit den Tweets von Trump endlich durchsetzen konnte. Die evangelikal erneuerte protestantische Kirche Deutschlands übersetzt Luthers 95 Thesen in diese Sprache, damit auch die jungen Wehrdienstleistenden in den zehn Jahren ihres Dienstes, bis sie in zivilen Berufe zurückkehren dürfen, nicht den Kontakt zu ihren religiösen Wurzeln verlieren. Parallel dazu benennt eine historische Kommission die Margot-Käßmann-Straße in Hannover in „Käthe-Allee“ um, was ohne allen öffentlichen Protest abgeht, seitdem ein Uni-Blogger über seine Forschungsergebnisse berichtet hatte: Der Mann neben Käßmann, als sie über die rote Ampel fuhr, war Frank Hanebuth .
  3. Dank der Impulse des Reformations-Jubiläums von 2017 wurde der interreligiöse Dialog massiv ausgebaut und endlich auf eine institutionelle Grundlage gestellt. Darum wird das Jubiläum zum 600. Geburtstag von der König-Fahd-Akademie in Bonn ausgerichtet. Der enge Geist der bisher rein christlichen Ökumene ist überwunden, indem in der Rolle des Teufels eine strukturelle Gemeinsamkeit zwischen Islam und Luthertum entdeckt und hervorgehoben wird: Die deutschen Pilger in Mekka bewerfen in diesem Jahr die Stelen mit Tintenfässern. An der diesjährigen Heilig-Rock-Wallfahrt nehmen neben den kleinen Gruppen von Christen erstmals deutlich mehr Muslime teil, denen sich aufgrund der Marketing-Idee eines Pekinger Reisebüros (“Jahr der hundert langen Märsche”) auch tausende Chinesen anschließen. Da die Infrastruktur von China gesponsert wird, ist das Ziel der Wallfahrt zum ersten Mal im Neubau des Karl-Marx-Museums in Trier ausgestellt, in diesem Jahr ergänzt durch eine Nachbildung von Luthers Mönchskutte, die aufgrund der transdisziplinären Integration der historisch-kritischen Forschung in die Kulturwissenschaft exakt rekonstruiert werden konnte. Aus Rücksicht auf die muslimischen Teilnehmer pilgern Männer und Frauen in zwei getrennten Zügen. Die auf dem XXIV. Parteitag der KPCh rehabilitierte Witwe Maos, verkörpert durch eine prominente Schauspielerin der Peking-Oper, führt den Zug der Frauen an. Ein Aktivist wird verhaftet, weil er unter der Maske von Alice Schwarzer eine Losung von Raif Badawi verbreitet hatte.

Kirchenhistorisch ehrlicher erscheint da dann die gegenteilige Argumentation, aber sie schüttete in ihrer Radikalität das Kind mit dem Bade aus. Schneider skizzierte dies an Thorsten Ehrkes Artikel „Schluss mit der Luther-Apologie“, ebenfalls erschienen in Politik & Kultur (02/2009), in der der Autor genauso selektiv und plakativ die, aus heutiger Sicht, verabscheuenswürdigen Seiten Luthers ins Zentrum rückt. Ist das die einzige Alternative zum zeitgeistgemäßen Anachronismus? Thomas Schneider vertrat eine dritte Perspektive: Vorsichtig mit den Seziermessern der historischen Kritik herauspräparieren, was uns heute von Luther trennt, aber was uns heute auch mit Luther vereinen kann. Aus dieser Perspektive richtete er nun seinen Blick auf Luthers Schriften zur Freiheit. 

Tania Günther

 

Zu Anfang legte Prof. Dr. Schneider dar, wie Luthers Schrift “Vom unfreien Willen” (De servo arbitrio, 1525) eingebettet ist in einen Schlagabtausch zwischen Luther und Erasmus von Rotterdam. Beide schenkten sich nichts in der Auseinandersetzung zur Frage um die Existenz des Freien Willens des Menschen, wie Schneider eindrücklich illustrierte. Erasmus verfasste seine Schrift “Vom freien Willen” (De libero arbitrio, 1524) als Streitschrift in Reaktion auf Luthers Theologie. Luther griff wiederum den Fehdehandschuh auf und antwortete mit seiner Schrift aus dem Jahr 1525. Innerhalb dieses harten Schlagabtauschs hinsichtlich der inhaltlichen Thesen, attestierte Luther Erasmus dennoch, dass dieser als einziger verstanden hatte, worum es ihm ginge. Anstatt Luther, so wie andere es zu dieser Zeit taten, mit Fragen zum Ablasshandel und anderen – laut Luther – nebensächlichen Angelegenheiten zu adressieren, honorierte Luther Erasmus, dass dieser mit seiner These über die Willensfreiheit am Kern von Luthers reformatorischen Anliegen geblieben war. Für Luther selbst war seine Schrift “Vom unfreien Willen” neben dem Katechismus die bedeutendste, wie Schneider Luther selbst zitierte. Die Bedeutung, die Luther seiner Schrift zumisst mag daher rühren, da sie für ihn unabdingbar war, wenn der Gedanke der Errettung allein durch Gnade konsequent bis zum Ende weitergeführt würde.

Die beiden gegenständigen Thesen von Luther und Erasmus beleuchtete Prof. Dr. Schneider folgendermaßen. Erasmus Kernthese war, dass der Mensch über einen freien Willen verfügt, durch den er sich dem Heil entweder zu- oder abwenden kann. Dennoch wirkt nach Erasmus der Mensch nur unterstützend am Heil mit. Der Großteil wird aber Gott und der göttlichen Gnade zugeschrieben, denn ohne sie wäre der Mensch völlig verloren. Deshalb muss laut Erasmus beim Heil am Ende Gott doch alles zugeschrieben werden. Erasmus geht dabei von der Güte und Gerechtigkeit Gottes aus. Dennoch legt er seinen Gedanken einen anthropozentrischen Ansatz zugrunde. Ihm ist an der Sittlichkeit des Menschen gelegen und so hält er daran fest, dass der Mensch sich sittlich verbessern kann und muss. Er ist somit optimistisch anthropologisch eingestellt und verfolgt ein pädagogisches Interesse im Sinne eines humanistischen Fortschrittsdenkens. Luther hingegen hat eine pessimistisch anthropologische Grundeinstellung. Er betont die Sündhaftigkeit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen im Gegensatz zur Majestät und Gottheit Gottes. Seine Argumentation ist konsequent theozentrisch ausgerichtet und wird zum Ausdruck seines theozentrischen Weltbildes. Dazu reiht sich sein in erster Linie theologisches Interesse an der Fragestellung zum freien Willen im Sinne seiner reformatorischen Rechtfertigungslehre (der Errettung des Menschen allein durch Gnade, nicht durch Werke). Wie bereits erwähnt ist Luthers Lehre vom unfreien Willen nichts anderes als das konsequente Weiterführen der Rechtfertigungslehre. Luther kreidet Erasmus an, dass wenn dieser den Menschen stark macht in der Frage um das Heil, indem er ihm einen freien Willen zugesteht, das ganze Heil dahin ist, wenn der Mensch darin versagt sich diesem zuzuwenden. Luther verortet innerhalb der Gott-Mensch-Beziehung das Heil völlig bei Gott.

Luthers Hauptanliegen und der Kern der Heftigkeit der Auseinandersetzung beider Kontrahenten liegt in der Allmacht Gottes. Wenn Luther das Heil komplett Gott zuschreibt, so liegt es ihm daran Gott stark zu machen und nicht den Menschen. Luther geht dabei, wie Schneider betont, bis an oder sogar über die Schmerzgrenze des für uns menschlich (Be-)Greifbaren. Luther stellt in aller Dringlichkeit die Gottesfrage neu nach dem souveränen, autonomen, allwissenden, allmächtigen und omnipotenten Gott, den er durch Erasmus Argumentation beschnitten sieht. Denn aus Erasmus These gehen Konsequenzen  für das Gottes- und Weltbild hervor, die Luther nicht vermag stehen zu lassen. Während Prof. Dr. Schneider an dieser Stelle verschiedene Konsequenzen ausgeführt hat, habe ich im Folgenden die mir zentral erscheinende herausgegriffen. Erasmus unterscheidet zwischen bedingter Notwendigkeit und absoluter Notwendigkeit. Aus seiner Sicht gibt es Dinge, die Gott als geschehend, aber nicht als nötigend voraus weiß. Ob sich nun ein Mensch für oder gegen das Heil entscheidet – aus Erasmus Sicht tut Gott aufgrund des freien Willens des Menschen nichts dazu oder dagegen. Luther führt gegen Erasmus Gedanken an, dass Gott alles, was er vorher weiß zugleich mit Notwendigkeit und unwandelbar vorher weiß und auch will, dass es geschieht. Daraus ergibt sich für Luther, dass es nicht möglich ist, am freien Willen des Menschen festzuhalten und zugleich Gott alles zuschreiben zu wollen, auch das Böse in der Welt.

Prof. Dr. Schneider führt dazu weiter aus, dass ‘Freiheit’ im Sinne des lutherischen Denkens in dem Wissen besteht, dass die Sache des Heils ganz bei Gott aufgehoben ist. Luther selbst soll dazu gesagt haben, selbst wenn es einen freien Willen gäbe, er wöllte ihn nicht, da er sich doch kenne und darum weiß, wie fahrlässig er möglicherweise damit umgehen würde. Luther sei frei und froh, da ihm die Sache des Heils ganz aus der Hand genommen sei. Für unsere postmoderne Gesellschaft scheinen die Ansichten Luthers fremd und fern, die ja vor allem auf Fragestellungen die Gott-Mensch-Beziehung betreffend gerichtet sind und nicht auf innerweltliche Dinge. Aber auch aus der weiteren Wirkungsgeschichte der lutherischen Schrift zeigt Thomas Schneider auf, dass bereits zu früheren Zeiten heftige Kontroversen ausgelöst wurden. Denn sowohl Aufklärer, als auch Pietisten lehnten Luthers Schrift “Vom unfreien Willen” ab. Auch auf der inhaltlichen Ebene scheint Luthers Schrift dem heutigen Denken nicht zu entsprechen. Die Schmerzgrenze liegt zu hoch und der Preis den das selbstbestimmte Individuum zahlt, wenn es sich auf der Basis des Glaubens einem allmächtigen Gott in die Hände gibt, scheint zu kostbar. Erasmus von Rotterdams Gedanken über den guten Gott, der nichts Böses wirkt scheinen für unser heutiges Denken weit anschlussfähiger. Dennoch, so macht Thomas Schneider Luther stark für uns heute, liefert Luthers Denken möglicherweise das notwendige Korrektiv für problematische Aspekte des aufklärerischen Denkens. So beispielsweise für die Gottvergessenheit unserer Gesellschaft oder die Selbstüberschätzung des Menschen.

Andrea Rammer